„Ich will meine Freunde und mein Leben zurück“
Anna, Oleh, Miron, Mascha und Valentyn: Nach einem Jahr Krieg in der Ukraine erzählen uns Kinder im Kriegsgebiet und Geflüchtete in Graz, wie es ihnen gerade geht.
Vor einem Jahr änderte sich für die Menschen in der Ukraine alles. Ihr Land wurde von russischen Soldaten angegriffen. Seit dem 24. Februar herrscht dort Krieg. Viele Menschen wurden seitdem getötet. Viele mussten ihr Land verlassen und Schutz in anderen Ländern suchen. Zum Jahrestag haben wir Kinder in der Ukraine und geflüchtete Kinder in Graz gefragt, wie ihr Alltag gerade aussieht.
Anna, 11 Jahre
Kurz nachdem die Ukraine angegriffen wurde, ist Anna (11) aus der ukrainischen Stadt Mykolaiv mit ihrer Familie nach Österreich gekommen. „Ich bin mit Mama, Papa, Oma, Opa, meinem kleiner Bruder (6) und Ross hier“, erzählt sie. Ross ist ein Deutscher Boxer. Das ist eine Hunderasse. Nach einem Jahr findet sich Anna schon recht gut zurecht im neuen Land. „Es gefällt mir gut in Österreich und ich habe auch schon Freunde in der Schule gefunden. Ich besuche die 4. Klasse der Willkommensschule in Graz-St. Leonhard.“
Anna versteht schon recht gut Deutsch. Wie für die meisten Kinder aus der Ukraine, gibt es nach dem normalen Unterricht bei uns noch Unterricht laut ukrainischem Stundenplan vor dem Computer. Am liebsten hat sie die Fächer Mathematik und Sport. Doppelter Unterricht sei „sehr anstrengend“. Ein bisschen Freizeit bleibt trotzdem. „Ich gehe gerne im Park spazieren, spiele Volleyball und Gitarre, schaue gerne ‚Wednesday‘ (sprich: wensdäi) und höre Musik von Blackpink (sprich: bläkpink)“, erzählt Anna. Außerdem hat die Elfjährige ein ganz besonderes Hobby: Sie bastelt Schmuck aus winzigen Perlen. Wenn Anna an die Ukraine denkt, dann vermisst sie vieles: „Am meisten meine Freunde und meine Halbschwester.“
Oleh, 12 Jahre
Zuerst Polen, dann Deutschland, und jetzt Österreich: Oleh hat auf der langen Flucht mit seiner Familie schon viele Stationen gemacht. „Seit zweieinhalb Monaten bin ich in Graz“, erzählt er. Mit ihm angekommen sind Oma, Opa, Mama, Papa und die kleine Schwester (2). „In der Schule finde ich es noch nicht so gut“, sagt er. „Es ist schwer, weil ich die Sprache nicht verstehe.“ Zwei Freunde, die auch aus der Ukraine vertrieben wurden, hat er aber schon gefunden. Wenn Oleh nicht gerade im Unterricht ist, dann spielt er gerne Fußball. Und er hat ein Finger-Skateboard (sprich: skäitboard), mit dem er Tricks macht. Der Bub stammt aus der Region Cherson. Das ist ein Gebiet, das von den russischen Soldaten besetzt ist. „Ich vermisse meine Freunde“, sagt der 12-Jährige. Wann immer es möglich ist, chattet (sprich: tschättet) er mit ihnen. Oft gebe es aber keine Verbindung.
Miron, 9 Jahre
„Ich komme aus Kiew und bin seit März in Österreich“, erzählt Miron. Miron ist mit seiner Mutter, einem älteren Bruder (14) und einer befreundeten Familie nach Österreich gekommen. In Graz besucht er die 3. Klasse der Volksschule Engelsdorf. „Ich habe in der Schule einen Freund aus Polen, mit dem kann ich mich ganz gut unterhalten, und Oleh (siehe oben) ist mein Freund.“ Sein Lieblingsfach in der Schule ist Mathematik. Und in der Freizeit? „Ich falte Figuren aus Papier, Papageien und andere Tiere zum Beispiel.“ Dazu sagt man auch Origami. Außerdem fährt Miron Ski und klettert. „Ich möchte gerne einmal auf die Teichalm in den Kletterpark.“ Bis es so weit ist, hat er in Graz einen Lieblingsplatz gefunden – die Kletterwand an der Mur. Wenn er an sein Zuhause in der Ukraine denkt, vermisst Miron einiges. „Die ganze Stadt, die Wohnung und meine Freunde“, erklärt er. Zum Glück hat er in Graz mittlerweile ein Haustier, eine Ratte namens Floragrafia. „Den Namen hat mein großer Bruder ausgesucht.“ Die Ratte gehört schon richtig zur Familie und darf sogar mit am Polster schlafen.
Mascha, 11 Jahre, lebt in Kiew
„Hallo, ich bin elf Jahre alt und lebe in Kiew.“ So stellt sich Mascha vor. Mascha ist die Kurzform von Maria. „Mein Alltag ist eigentlich immer gleich“, erzählt die Elfjährige. „Manchmal gibt es Sirenenalarme. Dann muss ich in den Schutzkeller gehen.“ Dort gibt es Schutz vor möglichen Angriffen aus der Luft. In die Schule geht Mascha derzeit nicht. Sie hat Fernunterricht. „Ich kann nicht in die Schule gehen, weil es Krieg gibt und das zu gefährlich wäre“, beschreibt sie ihre Lage. Maschas Lieblingsfach ist Mathematik. Viele ihrer Freunde sind ins Ausland gegangen. Ihr Bruder (19) studiert. In ihrer Freizeit strickt und häkelt die Elfjährige gerne. „Ich lese auch viele Bücher, male und spiele mit meiner Freundin Vika.“ Einfach so ein Runde spazieren zu gehen, sei gerade nicht möglich. „Ich hoffe, dass der Krieg so schnell wie möglich vorbei ist“, wünscht sich Mascha.
Valentyn, 10 Jahre, lebt in Kiew
Auch Valentyn lebt mit seiner Familie – Mama, Papa und einer älteren Schwester – in der Hauptstadt Kiew. „Ich gehe normal in die Schule“, erzählt der Zehnjährige. Seine Schule hat nämlich einen Schutzkeller. „Da fühle ich mich sicher“, sagt er. Ein- bis viermal am Tag würden die Sirenen heulen. Das sei unterschiedlich. Im Schutzkeller wird miteinander gespielt oder mit der Lehrerin gelesen. In seiner Freizeit macht Valentyn Judo. „Wir leben ein so normales Leben wie möglich. Gehen in die Schule, arbeiten, machen Sport“, erklärt zwischendurch Valentyns Mama Valentyna. Sie habe großes Vertrauen in die ukrainischen Soldaten und die Hoffnung auf Sieg und Frieden. Jetzt gebe es auch wieder regelmäßig Strom. Für Valentyn ist vor allem eines wichtig: „Ich will meine Freunde und mein Leben zurück.“
Danke an Maria vom Ukrainischen Kulturverein Graz sowie Irina für die Übersetzung.
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